Gedanken zum Thema Atmung inklusive Audioblog
Einige Grundaspekte und Automatismen
Wir atmen – mehr oder weniger – ein Leben lang und tun dies meist unbewusst. Atmen ist grossenteils vegetativ gesteuert, damit wir nicht daran denken müssen – ein beruhigender Gedanke nicht wahr!? Dennoch werden wir bei Stress konkret damit konfrontiert, dass es uns „den Atem raubt“. Wir hyperventilieren, atmen oberflächlich und nehmen damit unseren Zellen ihre Hauptnahrung – den Sauerstoff – weg. Die Muskeln verkrampfen sich und gleichzeitig werden bei grosser Angst reflektorisch alle Beuger heftig zusammengezogen, um uns zu schützen.
Wir liegen im Exremfall erstarrt in Embryoposition und handlungsunfähig am Boden und es entleert sich der Darm und wir machen uns in die Hose! Zum Beispiel wenn sich vor uns ein Grizzly kampfbereit aufrichtet, was glücklicherweise selten geschieht… . Dennoch werden uns tagtäglich kleinere und manchmal auch grössere Bären aufgebunden, welche wir gar nicht lustig finden, sondern Stress verursachen und unsere Handlungsfähigkeit einschränken. Immer verbunden mit Dysfunktionen in Form von muskulären Verkrampfungen.
Der Bär „schlägt uns auf den Magen“, „schnürt die Kehle zu“, der Unterbauch wird hart, die Finger verkrampfen sich. Manche bekommen Schweissausbrüche, beissen sich auf die Lippen und knirschen nachts mit den Zähnen. Wie reagiert ihr Körper bei Überforderung am Arbeitsplatz oder bei zwischenmenschlichen Problemen?
Warum die Atmung ein wichtiger Zugang zu sich selbst ist
Allen gemeinsam ist jedenfalls eine stark beeinträchtigte Atmung. Moshé Feldenkrais – der Begründer der Feldenkrais-Methode und mein Mentor – sagte dereinst: „Wenn ich nur eine einzige Lektion unterrichten könnte, würde ich das Thema Atmung auswählen!“
Denn die Atmung ist kein rein reflektorischer Prozess, sondern kann auch bewusst gesteuert werden. Neben der lebenswichtigen Sauerstoffversorgung widerspiegelt die Atmung sehr differenziert unser Befinden. Je grösser der Stress, desto eingeschränkter die Atmung. Oft entstehen solche negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit zu hohen Erwartungen. Oder falschen Zielsetzungen. Aufgabenorientiertes Handeln hingegen lässt verschiedene Lösungen zu. Wir versuchen also nicht Atmung kognitiv zu analysieren, sondern sie zu spüren mit all unseren Sinnen. Nichts bringt uns dem Jetzt und unserem Selbst näher als die eigene Atmung. Jeder Mensch atmet einzigartig und optimalerweise funktionell den Anforderungen angepasst.
Eine erste bewusste Annäherung an unsere Atmung
Zu spüren wie die kühle Luft durch die Nasenflügel über den Rachen und die Luftröhre in die Lunge einströmt, sich bei stressfreiem Befinden wohlig in der Lunge ausbreitet, die Rippen in alle Richtungen Platz machen, sich gleichzeitig das Zwerchfell nach unten ausdehnt, was über die verbundenen Organe im Beckenbodens eine spürbare Bewegung nach unten bewirkt. Während der Ausatmung der körperwarmen Luft wird der ganze Prozess umgekehrt! Ist doch eine wortwörtliche Sensation – oder nicht! Nur überhaupt wahrzunehmen, wie man atmet! Mit jedem Atemzug die eigene Lebendigkeit zu geniessen. Ohne sich zu fragen: Atme ich richtig? So falsch kann ihre Atmung nicht sein, denn Sie leben noch! Dennoch kann bewusste Atmung zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen – im Einzelfall in erstaunlichem Ausmass.
Audioblog als „Inspiration“ zum Thema Atmung
Nehmen Sie sich doch eine halbe Stunde Zeit, ihre Atmung zu entdecken und mit ihr ein wenig zu experimentieren. Ich habe dafür am Ende des Beitrags einen Audioblog angehängt. Vielleicht fragen Sie sich, ist das nicht auch in 5 Minuten machbar? Nein ist es nicht! Wer wirklich glaubt, dass schnell in 5 Minuten eine so komplexe Funktion wie die Atmung erfasst werden kann, ist bereits im Stressmodus. Der kurze Einstieg im letzten Beitrag in das Thema Atmung gibt einen Einblick, aber nun wollen wir etwas tiefer in die faszinierende Welt der Atmung eintauchen.
Bevor Sie sich dafür rücklings auf einen Teppich oder ein Turnmätteli legen, bleiben Sie doch noch kurz stehen. So wie Sie möglichst entspannt stehen können – gerne auf dem Boden und nicht auf der Matte. Wie stabil steht es sich auf ihren Füssen? Ist ein Fuss mehr belastet? Befindet sich das Gewicht eher auf der Ferse oder auf dem Fussballen? Wie fühlen Sie sich dabei? Gelassen, unruhig, fröhlich oder trifft ein anderes Adjektiv ihren Gemütszustand präziser? Und dann begleiten Sie doch ihre Atmung eine Minute lang auf ihrem Weg und spüren den Rhythmus und die Atembewegung im Brustkorb und Beckenraum Nun können Sie sich gerne auf den Boden legen – ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Experimentieren in den folgenden 30 Minuten. Wir werden in späteren Beiträgen immer wieder dieses Kernthema vertiefen und freue mich, das nächste Mal mit euch folgendes Thema anzuschauen: „Aufrecht ist ein Sein und nicht ein Halten!“
Ich wünsche Ihnen allen friedliche Festtage und Zeit für tiefes genussvolles Durchatmen!
Roland Bärtsch