Die grundlegende Bedeutung einer befreiten Atmung
Wir atmen seit unserer Geburt. Mehr oder weniger selbstverständlich. Die Atmung wird oft erst dann zum Thema, wenn sie nicht mehr ökonomisch und funktional abläuft.
Wenn zum Beispiel Hasel- und Birkenpollen die Bronchien verengen. Oder wenn uns ein Ereignis den Atem raubt. Was geschieht aber, wenn die Stressfaktoren unsere Wahrnehmung unterlaufen und sich grundsätzlich eine Dysfunktion in den alltäglichen Atmungsprozess einschleicht? Wir uns dadurch müde und abgespannt fühlen?
Ja – in der Konsequenz kann eine Einschränkung der Atmung diverse Symptomatiken zur Folge haben! Neben einer Übersäuerung des Zellmilieus – die Zellatmung leidet logischerweise auch darunter – ergibt sich eine vielschichtige Anzahl körperlichen Leiden, bedingt einzig durch eine selten bewusste, aber einschneidende Atemdysfunktion.
Atmung ist Ausdruck des momentanen Befindens
In den ersten beiden Blogs zum Thema Atmung ging es primär um ein bewusste Annäherung an einen grundsätzlich unbewussten und lebensnotwendigen Vorgang.
Bewusstes Atmen erschliesst ein differenziertes Selbstbild
Nun möchte ich aber neben eines klärenden Videos zum mechanischen Ablauf und deren Funktion vor allem auf das ansteuerbare Potenzial des bewussten Atmens eingehen.
Eine tiefe Zwerchfellatmung massiert alle Organe in der Bauchhöhle
Wer das Video angeschaut hat, kann erahnen, wie wichtig eine Zwerchfellatmung für genügend Freiraum und Elastizität im Beckenraum ist. Durch Absenken des Zwerchfells bei der Einatmung wird parallel dazu der Beckenboden nach unten gestossen. Und schwingt wie ein Trampolin zusammen mit dem Zwerchfell zurück für eine effiziente Ausatmung. Gleichzeitig werden die Organe im Bauchraum – sie sind teilweise am Zwerchfell aufgehängt – durchbewegt und in ihrer Funktion stimuliert.
Langanhaltendes passives Sitzen beeinträchtigt diesen Mechanismus
Erst recht, wenn wir nicht aufrecht sitzen und die Atmung in ihrem Volumen einschränken. Stundenlanges Sitzen führt zu einem ausgeprägten Sauerstoffdefizit und folglich zu einer Beeinträchtigung der Zellatmung – wir sind sauer! Und zwar nicht nur in den Zellen, sondern oft auch emotional! Wir fühlen uns schlecht.
Atmen als bewusster Zugang zum Brustkorb
M. Feldenkrais bezeichnete die Rippen als „Sleeping Beauties“
Schlafend deshalb, weil wir in unserer modernen bewegungs-degenerierten Welt unsere Rippen immer weniger in ihrer ursprünglich gedachten Funktion brauchen.
Wir klettern im Erwachsenenalter kaum mehr auf Bäume und arbeiten selten über Kopfhöhe. Zudem schlagen wir weder Purzelbäume oder ein Rad vor Freude, noch fühlen wir uns spontan animiert, den Handstand zu üben. Wie es unsere Tochter mehrere Jahre auf dem Teppich in der Wohnstube getan hat, bis sie zu unserem grossen Erstaunen mit 12 Jahren die Balance halten konnte.
Deshalb sollten wir immer wieder stützen und uns auf alle Viere niederlassen.
Durch die Stützfunktion der Arme, bei gleichzeitig geforderten reaktiver Gleichgewichtsaufgabe, erfahren die oberen Rippen ein Feintuning „in allen Facetten“. Die Rippen sind durch Facettengelenke mit der Wirbelsäule verbunden.
Nordic Walking ist eine Sportart auf allen Vieren.
„Sleeping Beauties“ deshalb, weil diese fein koordinierbaren Rippen unabdingbar sind für einen frei beweglichen Thorax in alle Richtungen. Damit der Brustkorb beim Atmen nicht auf eine kleine Mansarde zusammengestaucht wird, sondern ein veritabler Leuchtersaal entstehen kann! Die obersten 5 Brustwirbel sind neben ihrer Aufrichtungsfunktion zusammen mit der Wirbelsäule zuständig für Rotationsbewegungen. Eine Einschränkung der Rotation führt nicht selten zu einem Hexenschuss, da die mangelnde Beweglichkeit der Brustwirbelsäule eine Überlastung der Lendenwirbelsäule zur Folge hat.
Ein oft vergessener Aspekt eines mobilen Brustkorbs ist seine zentrale Bedeutung für eine freie Atmung!
Die obersten 2 Rippen sollten sich für ein befreites Einatmen leicht anheben lassen, was gerade bei Asthmatikern oft nicht der Fall ist. Diese beengende Gefühl wirkt sich unmittelbar auf das emotionelle Befinden aus und führt zu einer unangenehmen Platzangst im eigenen Körper. Falls unsere Einatmung aber auf bewegliche Rippen stösst, dehnt sich der Brustkorb zu einem Leuchtersaal aus. Dann fühlt Frau und Mann sich im Körper sichtlich wohl und befreit.
Die Gehmeditation unterstützt eine freie Zwerchfellatmung
Warum die Gehmeditation einen bewussten Zugang zum Becken ermöglicht
Im zwei früheren Blogs habe ich euch eingeführt in die Tiefen der Gehmeditation. Mit jedem Schritt sinkt der Standfuss tiefer in den Boden und unser Becken erhält Zeit, sich mit jedem Schritt über dem Hüftgelenk aufzurichten. Damit „le bassin“ ein stabiles Fundament für unsere Wirbelsäule bildet.
Denn dies ist die Voraussetzung für eine freie Beckenatmung.
Folglich kann auch das Spielbein entspannt in einer Pendelbewegung nach vorne schwingen. Andernfalls beginnen wir die Hüftgelenke zu verspannen und kämpfen um unser Gleichgewicht.
Die Hüftbeuger werden übermässig angespannt und immer kürzer.
Die Bauchmuskeln kontern diese Spannung und beeinträchtigen dadurch massiv die Freiheit von Zwerchfell und Beckenboden. Das Gesäss stimmt in dieses Muster ein und betoniert das Becken zu.
Sobald aber das Becken in optimaler Balance über dem Hüftgelenk organisiert wird, sind weniger die grossen Hüftmuskeln als vielmehr die Standbeinstabilisatoren und die tiefen Rumpfmuskeln wie Zwerchfell, Beckenboden, Transversus und Muldifidi für ein elegantes, weiches und sicheres Gehen zuständig.
Gehen und Atmen wird Eins – beide unterstützen sich gegenseitig in ihrer Funktion – darum auch die tiefsinnige deutschsprachige Frage nach dem Befinden:
„Wie geht Es dir?“ – „Geht Es dir gut!?“
Das „Es“ verkörpert die Atmung. Denn so wie ich atme, geht es mir auch! Atmung ist Ausdruck meines Selbst.
Ich wünsche beim tiefen Durchatmen viel Genuss und Dankbarkeit.